Der Bauernkrieg im Kraichgau (Teil 1)
Der „Helle Haufen“ des Anton Eisenhut in Gochsheim
Vor 500 Jahren kam es in zahlreichen Gegenden Deutschlands zu Bauernaufständen, die viele Generationen von Historikern bis heute beschäftigt haben und die unter dem Namen „Bauernkrieg“ zusammengefasst wurden. Ein „Krieg“ im wörtlichen Sinne war es nicht, da es regional unterschiedliche Forderungen gab und die Bauernführer auch keine einheitliche Strategie entwickeln konnten. Bis Mitte 1525 wurden die Aufstände blutig niedergeschlagen.
Der Kraichgau bildete keine Ausnahme. Der aus Eppingen stammende protestantische Prediger Anton Eisenhut versammelte am 7. Mai 1525 die Bauern der Region in Gochsheim. Zuvor hat er folgenden Aufruf verteilen lassen (an den heutigen Sprachgebrauch angepasst):
„Geduld und demütige Beständigkeit unseres Seligmachers wünschen wir euch in allen euren anliegenden Nöten zuerst, liebe Brüder in Christo. Ihr wisst, dass wir schwer hinter unserer Herrschaft und den Amtleuten gesessen sind, desgleichen bei Mönchen und Pfaffen. Doch es ist zum Letzten an den Tag gekommen, ihre Händel, die sie gebraucht haben, das sei Gott gelobt. Deshalb ermahne ich euch aufs Allerhöchste, dass ihr mit all euren Mitbrüdern hier in Gochsheim erscheinen wollet, mitsamt einem Wagen, damit das Evangelium und die Gerechtigkeit einen Fortgang bekomme. So ihr nicht kommen werdet, so will ich mit meinen Mitbrüdern bei euch erscheinen, das sollt ihr euch gegen mir tröstlich versehen.“
Der schwer verständliche Schluss war wohl als Drohung an all jene gemeint, die dem Aufruf nicht folgen wollten. Eine zeitgenössische Schätzung geht davon aus, dass sich in Gochsheim etwa 200 Bauern versammelt haben. Auf seinem Zug durch den Kraichgau wurden immer wieder neue Mitstreiter aufgenommen, so dass der „Helle Haufen“, wie er genannt wurde, am Ende wohl auf rund 1.200 Mann angewachsen ist.
Aber warum Gochsheim? Zunächst war Eisenhut auch in Flehingen als Prediger tätig und hatte vermutlich Kontakte zu dem Nachbarort. Vor allem aber ist Gochsheim zentral gelegen, von hier aus strömten die Aufständischen in verschiedene Richtungen aus.
Es ist davon auszugehen, dass Graf Wilhelm IV. von Eberstein seine Stadt den Bauern nach Verhandlungen widerstandslos übergab. Er hätte auch keine Verteidigungsmöglichkeit gehabt. Im Gegenzug wurde die Adelsfamilie unter Schutz gestellt. Eine befestigte Stadt wie Gochsheim einzunehmen, wirkte sicher motivierend auf Anton Eisenhut und seine Gefolgsleute.
Evangelium und Gerechtigkeit
Diese beiden Stichworte aus dem Aufruf Eisenhuts sagen schon viel aus über die Ausrichtung und Zielsetzung des Hellen Haufens. Zum einen kommt darin die Nähe zur Reformationsbewegung Martin Luthers zum Ausdruck, die im Kraichgau schon Fuß gefasst hatte. Das Evangelium, die Heilige Schrift, soll die Grundlage auch der Herrschaftsverhältnisse sein. Dann, so der hier verkürzte Schluss, kann auch wieder Gerechtigkeit in den Dörfern hergestellt werden.
Denn viele Gemeinden des Kraichgaus klagten in jener Zeit über drückende Fronlasten, also Dienstpflichten für den Herrn, über hohe Abgaben und eingeschränkte Dorfrechte. Doch darauf gehen wir im zweiten Teil näher ein.
(Karl-Heinz Glaser)
Literatur
Kurt Andermann, Gerrit Jasper Schenk (Hrsg.), Bauernkrieg, Kraichtaler Kolloquien, Band 14, 2024 (erhältlich bei der Stadt Kraichtal)
Michael Klebon, Im Taumel des Evangeliums. Anton Eisenhut und der Kraichgauer Haufen im „Bauernkrieg“, 2020 (verlag regionalkultur)
Bernd Röcker, Der Bauernkrieg in Kraichgau und Hardt, 2000 (verlag regionalkultur)
Termine
Gerechter Zorn? 500 Jahre Bauernaufstand im Kraichgau
Ausstellung im Schloss Gochsheim (bis 16. März 2025)
Anton Eisenhut und der Bauernkrieg im Kraichgau 1525
Tagung im Bürgerhaus Gochsheim, 3. Mai 2025
(Anmeldung bei der Stadt Kraichtal, Tel. 07250 77-44, kultur@kraichtal.de)
Der Bauernkrieg im Kraichgau – ein Überblick
Vortrag von Karl-Heinz Glaser am 18. Mai 2025 im Schloss Gochsheim.
Der Bauernkrieg im Kraichgau (Teil 2)
Unruhen in Menzingen und anderen Gemeinden
Der Aufstand der Bauern 1525 hatte eine Vorgeschichte und die lässt sich besonders deutlich am Beispiel der Gemeinde Menzingen aufzeigen. Im September 1524 wendet sich die „arme Gemeinde“ an Philipp Landgraf von Hessen. Er ist Lehensherr des Ortsherrn Philipp von Mentzingen. Gegen ihn richten sich 22 Beschwerdepunkte, die direkt zu den Ursachen des Bauernkrieges hinführen.
Im Hessischen Staatsarchiv Marburg lagern diese Akten, die insgesamt 335 Blatt umfassen und von der historischen Forschung lange Zeit unbeachtet geblieben sind. Das ist verwunderlich, weil der Bauernkriegsforscher Günther Franz schon 1930 auf diese Quelle hingewiesen hat – und darauf, dass er keine Zeit hatte, sie vollständig auszuwerten! Worum ging es?
Wenn wir davon ausgehen, dass die wichtigsten Anliegen zu Beginn einer Klagschrift stehen, dann leidet die Gemeinde vor allem unter der Einschränkung der Waldnutzung. Die Wälder waren im Mittelalter und der Frühen Neuzeit nicht nur eine unschätzbare Quelle für das Bau- und Brennholz, sondern auch für den Viehtrieb, die Eichelmast der Schweine. Ein „politischer“ Grund folgt gleich anschließend: Junker Philipp hat das jährliche Ausrufen der Dorfrechte verboten – und in diesem Ausrufen heißt es, dass „die Wälder zum Dorf“ gehören. Beides bestreitet Philipp nicht: Die Wälder müssten geschont werden und das Ausrufen ist gegen „alle Billigkeit“, schließlich sei er der Herr im Dorf.
Die meisten der nachfolgenden Beschwerden betreffen den „schweren unleidlichen und von neuem erdachten Frondienst“. Damit sind alle Arbeiten gemeint, die von den Bauern für die Herrschaft verrichtet werden mussten – und das waren laut Beschwerdeschrift nicht wenige: Holz hauen und heimfahren; Waldrodung, um Wiesen für die Schafe zu schaffen; Zäune errichten; Fuhrfron, beispielsweise zum Transport von Baumaterialien über Land; Bau des Schafhauses; Arbeiten am „baufälligen“ Wasserschloss und am Schlossgraben; Ausheben eines neuen Sees, vermutlich zur Fischzucht; Anlage eines Springbrunnens, Flachs ernten und brechen; Krautgärten bauen und Nüsse lesen; Fron auf den herrschaftlichen Feldern; Heimfahren auswärtiger Zehnteinnahmen; Fässer putzen und „sonst alles was er uns gebietet“.
Diese Willkür ist es vor allem, die von der Gemeinde beklagt wird – schließlich wurde gerade zur Erntezeit auf den eigenen Feldern jede Hand benötigt. Bürgermeister und Gemeinde wollten keineswegs einen Umsturz herbeiführen, wie wenig später Anton Eisenhut, aber sie forderten geordnete Verhältnisse mit klaren Rechten und Pflichten. Dennoch kam es zu Handgreiflichkeiten, da der Junker die Verhandlung über die Beschwerdepunkte hinauszögerte. Philipp hatte gehofft, dass der Landgraf die Forderungen der Bauern zurückweist, aber der Lehensherr war um Ausgleich bemüht. Schließlich brodelte es schon überall im Land.
Der Konflikt eskalierte: Vier Knechte des Ortsherrn wurden gefangen genommen und Philipp selbst musste Menzingen für kurze Zeit verlassen. Erst die befreundeten Kraichgauer Ritter verhalfen ihm wieder zu seinem Recht. Eine schwere Demütigung.
Schließlich kam es im Februar 1525, also kurz vor Eisenhuts Bauernaufstand, zu einem Verhörtag. Eine Kommission des Lehensherrn befragte 19 Zeugen, ältere Männer aus Menzingen bzw. ehemalige Menzinger, die inzwischen in Nachbargemeinden lebten. Das Protokoll dieses Verhörs bildet den Hauptteil der Marburger Akten. Die meisten Zeugen haben unter Eid die Hauptpunkte der Gemeinde bestätigt: Die Wälder gehören zur Gemeinde, das jährliche Ausrufen der Dorfgerechtigkeit, die erhebliche Zunahme der Frondienste und die Verwüstungen durch die große herrschaftliche Schäferei auf den Äckern und in den Weinbergen.
Es wäre nun sehr spannend zu erfahren, welches Urteil die weitgereiste Kommission in dieser Angelegenheit gefällt hätte. Doch hier schließt die Akte, denn Anfang Mai 1525 versammelte Eisenhut die Bauern in Gochsheim und es kann nicht verwundern, dass auch viele Menzinger seinem Aufruf gefolgt sind. Erst 1530 kam es durch den Marburger Vertrag zu einer vorübergehenden Einigung.
Menzingen war natürlich kein Einzelfall: In Gochsheim beschwerte sich die Gemeinde 1523 über unerträgliche Fronlasten im Zusammenhang mit dem Neubau des Schlosses der Grafen von Eberstein. In Unteröwisheim, Oberöwisheim, Münzesheim, Neuenbürg und fast allen heutigen Kraichtaler Stadtteilen gab es ebenfalls Beschwerden und gerichtliche Klagen. Ein fruchtbarer Boden also für den Bauernkrieg im Kraichgau.
(Karl-Heinz Glaser)
Termine
Gerechter Zorn? 500 Jahre Bauernaufstand im Kraichgau
Ausstellung im Schloss Gochsheim - nur noch am kommenden Sonntag, 16. März
Anton Eisenhut und der Bauernkrieg im Kraichgau 1525
Tagung im Bürgerhaus Gochsheim, 3. Mai 2025
(Anmeldung bei der Stadt Kraichtal, Tel. 07250 77-44, kultur@kraichtal.de)
Der Bauernkrieg im Kraichgau – ein Überblick
Vortrag von Karl-Heinz Glaser am 18. Mai 2025 im Schloss Gochsheim.